working abroad

Von einer auf die andere Sekunde eine leere Agenda. Es gibt zwar schon einen Arbeitsplan und obligatorische Meetings auf dem Schiff, aber der Lebenstil hier ist definitiv flexibler, spontaner und lockerer als ich den Flow aus der Schweiz kenne. Die Entschleunigung tut gut, doch je länger der Einsatz geht, desto mehr merkt man wie intensiv die Erlebnisse sind - vor allem emotional gesehen.

Ich arbeite wie zu Hause in verschiedenen 8h-Schichten, oft auch im Pikettdienst. Da mein Arbeitsweg nur genau 21 Sekunden beträgt, bin ich aber zeitlich ziemlich flexibel um einzuspringen. Den Austausch im Team schätze ich sehr, da viele Professionen zusammentreffen, Fachpersonen aus aller Welt dabei sind und alle etwas unterschiedliche Kompetenzen mitbringen. Intressanterweise ist das Gesundheitswesen in jedem Land verschieden, so darf die Eine arterielle Zugänge legen und der Andere nicht einmal ein Blutbild abnehmen. Zu den Herausforderung gehört auch, dass vieles im Vergleich zu meiner Arbeit in der Schweiz ähnlich ist und gleichzeitig doch so anders. Beispielsweise werden andere Geräte verwendet, wie der Doppler-Monitor nach dem sogenannten 'free flap' (freie Lappenplastik), Sondenbestecke werden eine Woche lang immer wieder verwendet, Morphin wird anders verdünnt, i.v. Antibiotika in einer anderen Geschwindigkeit verabreicht und den Patienten wird täglich die Lungen auskultiert.

Ein grosser Unterschied sind auch die Patienten. Nie würde einer nur schon auf die Idee kommen, nach einem Einzelzimmer zu fragen. Frauen, Männer und Kinder sind nebeneinander alle im gleichen Raum, sie bedanken sich gefühlt etwa 500 mal pro Schicht für deine Arbeit und haben eine riesen Freude wenn du nur schon ein paar Wörter auf ihre Sprache sprechen versuchst. Meist sind sie auch nicht in ihren Betten anzutreffen - sofern die Bettruhe aufgehoben wurde - sondern tanzend draussen im Gang, sitzend am Boden um sich gegenseitig neue Frisuren zu machen, während irgendein Baby herumgereicht wird oder versammelt vor dem Fernseher um irgendein Fussballspiel zu schauen. Es fühlt sich so an, als würden sie sich die Patienten schon lange kennen, alle sind Brüder und Schwestern und Onkel und Tanten von Jedem - natürlich kulturell gesehen und nicht tatsächlich blutsverwandt. Immer mal wieder hört man durch den ganzen Raum irgendwelche Sprüche rufen, sieht Frauen welche das Waschbecken oder Necessaire auf dem Kopf zum Badezimmer tragen oder erkennt an den Wintermützen, dass sie sich wohl Klimaanlagen nicht unbedingt gewohnt sind.