Discharges

Die sogenannten Discharges gehören zum Highlight der Arbeit – wenn die Patienten nach Hause oder besser gesagt aus dem Schiffsspital entlassen werden können. Die meisten kommen nämlich zuerst noch ins Hope Center, das Ambulatorium von Mercy Ships. Etwa 20 Minuten vom Schiff entfernt – je nach Verkehrschaos kann ein Transport aber auch mal gut 2h dauern. Viele werden von dort aus noch für einzelne Nachkontrolltermine oder ambulante Verbandswechsel aufs Schiffs zurück gebracht. Immer wenn Patienten das Schiff verlassen, versammeln sich alle die gerade Zeit haben auf dem Deck 7 und winken den Patienten zum Abschied zu.

Auch für mich ist es bald Zeit für die Entlassung - was ich an den schwindenden Malariaprophylaxentabletten nur unschwer erkennen kann. Es wird wohl aber nicht mit einem «tschüss» enden, sondern eher mit einem «auf Wiedersehen». Denn die Arbeit hier ist mir ans Herz gewachsen. Diese wundervollen Momente mit den Patienten, die warmherzige Community auf dem Schiff, die afrikanische Kultur und deren superherzigen Kinder, die persönliche Entschleunigung und drastische Relativierung der eigenen Probleme und Sorgen im Leben. Rückblickend habe ich schlussendlich mehr bekommen, als ich je hätte geben können. Denn die Zeit war und ist nicht ohne Herausforderungen - ich denke das Wort «roller coaster» beschreibt das Leben hier auf dem Schiff ziemlich gut. Es fühlt sich nämlich manchmal wirklich wie eine Achterbahnfahrt an. An einem Tag passiert so viel. Ab und zu habe ich sogar noch immer das Gefühl gewisse Momente nur zu träumen. So viele Eindrücke, Emotionen, Gefühle und manchmal überfordernde Momente. Das sich Auseinandersetzen mit der Ungerechtigkeit der Welt, das ethische Dilemma zwischen arm und reich und der Umgang mit eigenen Erwartungen. Ich habe zum Beispiel nicht damit gerechnet, dass Patientenbeziehungen so persönlich werden können, dass Gebet zusammen mit den Patienten so viel Kraft haben kann und dass es einem fast das Herz zerreisst, wenn gerade Kleinkinder mit bösartigen Tumoren abgelehnt werden müssen, weil keine Chemotherapie oder Bestrahlung zur Verfügung stehen - und nur weil sie in einem anderen Land leben als ich es tue. Ich habe auch nicht erwartet, dass es emotional so anstrengend sein kann, immer wieder neue Menschen kennenzulernen, Freundschaften zu bilden und sie dann wieder gehen zu lassen, dass es manchmal auch erschöpfend sein kann, mit den Menschen hier gleichzeitig zusammen zu arbeiten und zusammen zu leben, den ganzen Tag nur auf Englisch zu kommunizieren und sich nicht immer so ausdrücken zu können, wie man es vielleicht gerne möchte. Ich habe aber auch nicht gedacht, dass ich so oft Pikett bekomme, verhältnismässig so ein tiefer workload erlebe und so viel unverplante Zeit haben werde – was sich für mich teilweise wie eine Reha-Klinik oder sogar Ferien anfühlt.


Bevor ich aber bald zum Abschied winke, begrüssen wir winkend zuerst noch das nigelnagelneue zweite Schiff - die Global Mercy ist nämlich in diesen Minuten auf dem Weg in unseren Hafen. 30 Jahre Mercy Ships werden ordentlich gefeiert, Präsidenten aus ganz Afrika sind eingeladen um das neue Schiff zu besichtigen und um dann nächsten Donnerstag offiziell einzuweihen.